So sehen Lehrkräfte die Corona-Krise in der Bildung
Wir haben 1.700 Lehrkräfte aus ganz Deutschland befragt: Wie gehen Lehrerinnen und Lehrer mit den aktuellen Schulschließungen aufgrund der Corona-Krise um? Wie funktioniert der digitale “Fernunterricht” ? Und wie unterrichten sie momentan ihre Schülerinnen und Schüler? Welche Herausforderungen sehen sie für die Bildung? Die Ergebnisse unserer deutschlandweiten Umfrage zum Thema “Fernunterricht”, welche in Kooperation mit Spiegel Ed und App Camps entstanden ist, lest ihr hier.
Rund 1700 Lehrer*innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben an unserer Umfrage teilgenommen und Fragen zum Thema “Fernunterricht” beantwortet. Neben persönlichen Einschätzungen zur aktuellen Lage während der Corona-Krise gaben sie Auskünfte über ihre Arbeitsweisen des neu strukturierten Unterrichtsalltags und was sie aus dieser Zeit mitnehmen wollen.
Corona in der Bildung: Krise oder Chance
Ganz am Anfang eine gute Nachricht: Obwohl viele Lehrkräfte unserer Umfrage die aktuelle Situation als herausfordernd und anspruchsvoll empfinden, sieht die Mehrheit auch eine Chance für die digitale Bildung. Sie glauben, dass es nach der Corona-Krise neue Möglichkeiten geben könnte.
Wer hat an der Umfrage teilgenommen?
Deutschlandweit haben sich 1.695 Lehrkräfte aus allen Bundesländern sowie aus Österreich und der Schweiz an unserer Umfrage beteiligt. Mit 20,3 Prozent stammen die meisten Teilnehmer*innen aus Nordrhein-Westfalen, gefolgt von Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg und Niedersachen. Insgesamt ist auch jede Schulform in dieser Umfrage vertreten – von Grundschule über Förderschule bis hin zu Berufsschulen. Mit guten 30 Prozent haben am meisten Gymnasiallehrer*innen teilgenommen, aber in Summe kommen Gesamtschul-, Realschul- und Hauptschullehrer*innen auch auf über 30 Prozent.
Die folgenden Ergebnisse ziehen wir nur aus unserer Umfrage. Da die Erhebung online stattgefunden hat, kann es sein, dass sich vor allem digital-affine Lehrkräfte beteiligt haben. Daher wollen wir mit dieser Auswertung lediglich einen Einblick in den aktuellen Alltag vieler Lehrkräfte in Deutschland geben und die Erkenntnisse nicht allgemeingültig auf alle Lehrkräfte im deutschsprachigen Raum übertragen.
Die aktuelle Situation rund um das sich ausbreitende Corona-Virus und die damit zusammenhängenden Schulschließungen ist keine einfache. Der Unterrichtsalltag für Lehrkräfte und ihre Schüler*innen muss neu und anders strukturiert werden. Laut der UNESCO können seit dem 17. März aufgrund der Corona-Pandemie rund 90% aller Schüler*innen weltweit nicht zur Schule gehen. Doch inwieweit kann der Unterricht zur Zeit trotzdem stattfinden?
Ob momentan Fernunterricht stattfindet, unterscheidet sich stark von den Schulformen
In Deutschland sind über 90 Prozent der Lehrkräfte, die sich in an der Umfrage beteiligt haben, in regelmäßigem Austausch mit ihren Schüler*innen und unterrichten diese im Fernunterricht. 44 Prozent geben an, dass dies mehrmals wöchentlich passiert. Jedoch unterrichten nur knapp 30 Prozent aller Lehrer*innen ihre Schüler*innen im Fernunterricht täglich.
Auffällig ist jedoch der Unterschied zwischen den verschiedenen Schulformen. Berufsschul-, Gymnasial- und Gesamtschullehrer haben besonders viel Kontakt mit ihren Schüler*innen und führen mehrmals wöchentlich Fernunterricht durch. 29,7 Prozent der Förderschullehrer*innen und 14,3 Prozent der Grundschullehrkräfte haben selten bis gar keinen Kontakt zu ihren Schüler*innen.
Digitaler Fernunterricht – wie kommunizieren Lehrkräfte?
Die Kommunikation und Bereitstellung der Lerninhalte findet vor allem über E-Mails statt (über 80 Prozent). Aber auch Lernplattformen, Messengerdienste, Videokonferenzen und verschiedene Clouds kommen hierbei zum Einsatz.
Technische Ausstattung nicht ausreichend
Eine große Herausforderung sehen die an unserer Umfrage teilgenommenen Lehrkräfte bei der technischen Ausrüstung. Fast 90 Prozent der Lehrkräfte müssen auf ihre privaten Endgeräte zurückgreifen, um digitalen Fernunterricht via Computer, Tablet oder Smartphone zu ermöglichen.
Zwei Drittel der Lehrkräfte geben an, dass ihre Schüler*innen nur zum Teil die benötigte Hardware (z.B. Laptop oder Tablet) besitzen würden, wodurch es schwierig sei, alle Schüler*innen gleichermaßen zu erreichen und zu unterrichten.
Was sind die aktuellen Herausforderungen?
Diese Herausforderungen sehen die Lehrer*innen außerdem in Bezug auf die technische Ausrüstung:
Besonders oft wurde die aktuelle Situation von den Lehrkräften als herausfordernd, belastend und anstrengend beschrieben. Auch die persönliche Situation der Lehrkräfte (Home Office, Betreuung der eigenen Kinder etc.) und die Absprachen mit Kolleg*innen seien teilweise schwierig. Die soziale Komponente, die Eigenverantwortung der Schüler*innen und die oft unzureichende Rückmeldung seien ebenfalls problematisch. Dennoch betonen viele, dass sie die aktuellen Herausforderungen auch als Chance für die digitale Bildung sehen.
Lehrkräfte sehen Bildungsgerechtigkeit in Gefahr
Neben der unterschiedlich gut aufgestellten technischen Ausrüstung gaben die Lehrer*innen weitere Aspekte der aktuellen Herausforderung an: Hier sehen besonders viele Lehrkräfte die Bildungsgerechtigkeit in Gefahr. Die Unterschiede zwischen lernstarken und lernschwachen Schüler*innen werden größer. Zum einen wegen unterschiedlichen Möglichkeiten der Unterstützung durch Eltern, zum anderen weil es in der aktuellen Situation schwieriger ist, lernschwache Schüler*innen Schullizenz zu fördern.
Es fehlt den Schüler*innen an technischer Ausstattung, wie Computern und Druckern und aber auch Eltern, die sich um den Fernunterricht ihrer Kinder kümmern können. Laut des Verbandes Bildung und Erziehung sind ca. 2,4 Millionen Schüler*innen in Deutschland von Armut und sozialer Abgrenzung bedroht.
Die Hälfte der Lehrkräfte fühlt sich schlecht auf digitalen Fernunterricht vorbereitet
Viele Lehrkräfte in Deutschland fühlen sich nicht ausreichend auf digitalen Fernunterricht vorbereitet. Besonders ist dies bei Grundschullehrern und Förderschullehrern der Fall. Neben der technischen Ausstattung, um digitalen Fernunterricht zu realisieren, fehlen auch Konzepte für die Aus- und Fortbildung von Lehrkräften.
Schaut man sich die Werte der einzelnen Bundesländer im Vergleich an, fühlen sich Lehrer*innen aus Schleswig-Holstein am schlechtesten auf die aktuelle Situation und digitalen Fernunterricht vorbereitet. Woran das genau liegt, können wir leider nicht sagen.
Aus den Ergebnissen ist ebenfalls abzulesen, dass sich Lehrkräfte aus Österreich und der Schweiz tendenziell besser auf digitalen Fernunterricht vorbereitet fühlen als Lehrkräfte aus Deutschland.
Mehr Unterstützung durch die Politik gefordert
Aus unserer Umfrage wurde außerdem deutlich, von wem sich die Lehrkräfte mehr Unterstützung wünschen würden (Mehrfachnennung möglich). Auf Platz eins steht die Politik (über 60 Prozent), also vor allem die Bildungsministerien, Schulbehörden etc. Jeweils ungefähr ein Fünftel gaben an, dass sie sich mehr Unterstützung von der Schulleitung, den Eltern und den Kolleg*innen wünschten. Weitere knapp 20 Prozent gaben an, dass sie keine weitere Unterstützung bräuchten.
Mehr Digitalisierung nach Corona?
Nach unserer Erhebung können wir sagen, dass die meisten der rund 1.700 Lehrkräfte, die an unserer Umfrage teilgenommen haben, im deutschsprachigen Raum Fernunterricht durchführen. Und obwohl viele die aktuelle Situation rund um Corona und die damit verbundenen Schulschließungen als herausfordernd beschreiben, sehen sie positiv in die Zukunft.
Zur Zeit wird deutlich, dass sich im Hinblick auf die digitale Bildung und die Digitalisierung der Schulen noch einiges verändern muss. Lehrer*innen wünschen sich hierbei vor allem Unterstützung von Seiten der Politik und auch den Weitblick ihrer Schulleitung. Es ist und bleibt eine schwierige Situation, aus der wir aber hoffentlich neue Möglichkeiten auf dem Weg der Digitalisierung entwickeln.
Wir danken den Lehrer*innen, die an unserer Umfrage teilgenommen haben und auch allen anderen, die momentan versuchen, das Beste aus der Situation zu machen und so gut es eben geht, weiter (digital) zu unterrichten. Die tägliche Herausforderung und Leistung, Schule trotz mangelnder technischer Ausstattung am Laufen zu halten, sollte gesellschaftlich mehr Anerkennung bekommen.
Vielen Dank an Spiegel Ed und App Camps für die Zusammenarbeit.
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Kostenfreie Online-Fortbildung:
Digital Unterrichten – Das virtuelle Klassenzimmer
In dieser kostenfreien Online-Fortbildung lernst du, wie du mit Hilfe verschiedener Tools deine Schüler*innen digital unterrichten kannst und wie das virtuelle Klassenzimmer gelingen kann.
In Video-Konferenzen kannst du sowohl über Video als auch in Chats mit deinen Schüler*innen kommunizieren und Arbeitsaufträge und Inhalte digital teilen und präsentieren. Deine Schüler*innen können in kleinen Gruppen ebenfalls in virtuellen Räumen kollaborativ und kooperativ zusammenarbeiten und kommunizieren.